Donnerstag, 3. Dezember 2009

Abenteuer pur - Open tour

Ich muss nachsitzen. Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen die digitale Welt verlassen und haben uns der realen Welt zugekehrt, ihr unsere Zeit gewidment und sie so intensiv genossen mit all ihren Facetten.

Grenzen ueberwinden ...
Seit unserem letzten Eintrag in Vietnam ist schon einiges passiert: Wir haben zwei Grenzen "passiert", sind in neue und so ganz andere suedostasiatische Kulturen eingetaucht und haben auch uns und andere Menschen (neu) entdeckt. Wir Westler haben oft die Vorstellung, dass alle Asiaten gleich sind und wir koennen die Menschen mit den Schlitzaugen und den dunklen Haaren nicht voneinander unterscheiden. Doch wie verschiedenartig sie sind! Vergleichbar mit einem rassigen Vollblutitaliener aus Kalabrien im Gegensatz zu einem einem bärtigen Norweger, der einsam und still in einem Fjord fischt.


Wir haben Vietnam vor rund drei Wochen verlassen, sind nach Laos gereist und sind nun ueber das Goldene Dreieck (Grenze Laos, Thailand und Burma) in Thailand gelandet. Doch schoen der der Reihe nach...



Freitag, der Dreizehnte
Jetzt geht das Abenteuer richtig los. Nichts ist geplant. Kein Limoservice, der uns zur nächsten Hotelanlage chauffiert. Kein Vaucher, der uns die nächste Übernachtung in einem warmen weichen Bett garantiert. Kein Führer, der uns Uebersetzungen "frei Haus" liefert. Nein, Abenteuer pur wartet nur.

Morgen um 5 sollte der Wecker klingeln. Oder auch brummen, surren, pfeifen, kreischen. Was auch immer. Er tat es nicht. Der Weckruf, den wir über die Hotellobby organisiert hatten, versagte. Zum Glück hat uns die innere Uhr doch noch wachgerufen und uns schnurrstracks vom Pyjama in die Trekkinghosen gejagt. Ohne Frühstück eilten wir dann mit unseren in Notpackvariante zusammengeschnurpften Rucksäcken zur Rezeption. Checkout innert 35 Sekunden. Halt stop. Habt ihr per Zufall die Slippers (Hausschuhe) eingepackt, welche Hoteleigentum sind? Da haben sie uns aber voll erwischt. Wollten wir einmal im Leben was Brauchbares aus dem Hotelzimmer entwenden, werden wir inflagranti erwischt. "Oh, wir dachten, die wären im Übernachtungspreis inklusive" (respektive wir glaubten, dass dies neue Exemplare waren und nicht von Gast zu Gast mit all den Fusspilz-Spuren weitergereicht werden. Also machte sich Stefan auf die Suche nach den Dingern. Auspacken. Peinlich. Abhauen. Aber womit? Eigentlich sollte uns ein Bus, mit welchem wir nun über die Grenze nach Laos fahren, beim Hotel abholen. Doch er ist nicht da. Karin wird nervös und eilt nochmals zurück zur Lobby. "Könnten Sie bitte hier anrufen, um zu fragen, wo der Bus steckt". Ring, ring, ring. Das Telefon läutet ins Leere. Leider öffnet das Bus-Büro erst um 7 Uhr. Na gut. Dann warten wir mal. Stefan, bekannt für seine positive Denkweise, beruhigt mich und sagt, der Bus wird bald kommen. Ich zweifle eher daran, und denke, dass der Anschlussbus in der Stadt, wohl ohne die Obertramper Bühler losgefahren ist. Nach rund 45 Minuten - inzwischen ist es Tag geworden und viele andere Hotelgäste werden nach einem feinen Frühstück ordnungsgemäss abgeholt zur Weiterreise - ist es 7h. Zeit zum erneuten anrufen. Es wäre jemand unterwegs, um uns abzuholen. Im Eiltempo. Sie hätten uns fast vergessen... Auto, Lieferwagen, Kleinbus, Autocar, Taxi - donnern an uns vorbei. Auf dem Parkplatz halten nach weiteren 15 Minuten zwei Mofafahrer an. "Come!" Wir haben keine Zeit zum Fragen, Werweisen, Abklären. Die Devise lautet nun: aufsteigen und vertrauen.Unsere Rucksäcke werden abgenommen, uns wird je ein Helm übergestülpt und wir sitzten je auf dem Soziussitz einer Honda. Und unser Gepäck? "No worries", das ist schon zwischen Lenkstange und Fahrer eingeklempt. Und nun gehts los. Eine Fahrt gegen die Zeit, durch die Morgenrushhour von Hue. Von wegen, hier wäre der Verkehr gemächlicher als in Hanoi.... Ich schliesse die Augen und schicke ein Stossgebet gegen den Himmel. Töfffahren ist ähnlich wie eine Fahrt auf der Achterbahn. Doch lieber ein paar waghalsige Kurven und loopingähnliche Gapriolen als Zusammenstösse wie auf der Butschautobahn. Wir haben das Zielerreicht, nach einer 30 Minuten Geisterfahrt. Ein vollgestopfter Minivan wartet auf uns. Hopphopp, absteigen, umsteigen. Halt, Karin war zu schnell und wollte wiedermal etwas abstauben. Geistesabwesend rannte sie mit dem Helm auf dem Kopf in den Van. Nach einem kurzen Lacher aller Mitinnsassen kann nun die Fahrt nach Laos bzw. an einen weiteren Umsteigebusbahnhof auf der Strecke dorthin ordentlich - ohne Helm und Slipper - unter die Räder genommen werden. Glück gehabt!
Und da soll mal einer behaupten, der Freitag der Dreizehnte solle kein Glück bringen! :-)


Bollywood auf Vietnamesisch
Wir sitzen im lokalen Bus nach Laos. Endlich - es kann Ruhe einkehren. Wir sind nun für 8 Stunden versorgt. Kein Umsteigen mehr. Keine Wettläufe gegen die Zeiten. Nur noch ausruhen und geniessen. Die Landschaften vorbeiziehen lassen. Geschichten erahnen, die die Menschen schreiben, welche wir mit einem kurzen Blick aus dem Busfenster erhaschen. Wir sind gespannt und nisten uns in unseren Sitzen ein. Wir sind in Gedanken versunken und denken "perfekt". Mit einem Ruck beginnt die Reise und wir zucken gleichzeitig zusammen. Weil die 10 im Bus aufgehängten Lautsprecher losbrüllen. Vorne geht der Fernseher an und ein schnulziges Liebespaar trällert und jammert einander mit Herzschmerzlindern an. Oh, das erste Lied ist ja noch hinreissend und wir wippen mit dem Oberkörper und verfolgen die Geschichte, die auch ohne Sprachkenntnisse zu verstehen ist. Die Lieder zwei bis zehn sind interessant, um allfällige Muster in den Geschichten zu erkennen. Aber dann... wir haben die Hoffnung, dass nach einem Video Sendeschluss ist. Doch nach einem Video wird die zweite geladen, die dritte, die vierte. Wir sind bereits im Dillirium und hören die Songs schon gar nicht mehr... Sind jedoch froh, als es nach rund vier Stunden mal eine längere Mittagspause gibt. Bereit für die nächsten Bollywoodstreifen besteigen wir den Bus und verfolgen wiederum die Geschichte eines Mädchens, welches sich in einen Jungen verliebt, den sie jedoch standesgemäss nicht heiraten darf... Oder die Geschichte eines anderen Mädchen, das auf dem Land aufgewachsen ist und nun fernab der Heimat in der Grossstadt das Glück und einen Job sucht, um ihre Familie zu ernähren. Klischehaft, kitschig denn meistens mit Happyend - aber doch nahe am Leben sowie an den Wünschen und Sehnsüchten des Volkes, durch dessen Land wir ziehen.