Sonntag, 15. November 2009

Aus dem Leben gegriffen...

Acht Generationen unter einem Dach
Die Vietnamesen sind "Kuenstler" im Zusammenleben auf kleinstem Raum. Auch wenn die groessten Maenner die Kleidergroesse von Karin tragen - es grenzt dennoch an das Vorstellungsvermoegen unserer westlichen Groessenordnungen. Ob in der Stadt in einer der Roehrenbauten oder auf dem Land in einer Bambushuette. Es leben bis zu 8 Generationen in einem Haus. Unmoeglich? Nein. Unglaublich? Ja. Aber wahr. Und zwar leben die Grosseltern, deren Kinder sowie Enkelkinder in ein und dem selben Haus bzw. Raum. Sie teilen alles. Kueche oder Feuerstelle. Happyroom (wie das stille Oertchen in Vietnam genannt wird), falls es eines hat. Was jedoch hoechstens den Reichen vorbehalten ist. Die anderen teilen die Toilette mit rund 50 Nachbarn oder gehen ab in die Buesche. Die einzelnen Familienkammern (fuer eine Generation) werden "diskret" von einander durch ein Tuch abgegrenzt. Der schoenste Platz im Raum gehoert jedoch den Ahnen. An zentraler Stelle gibt es einen Hausaltar. Hier werden die Ahnen der letzten fuenf Generationen geehrt. Es werden Raeucherstaebchn angezuendet, Festmahle geboten oder in juengster Zeit auch Gaben in Form von Miniautos oder TV-Attrappen dargelegt. So bleiben die Verstorbenen bzw. deren Geister in der Familie.


Nachbarshilfe
Wir wandern gemaechlich ueber die schoenen, hochgelegenen Reisterassen in der Umgebung von Sapa. Begleitet von Huong. Die Stille wird nur ab und zu durch ein Vogelgeztischer unterbrochen. Wie schoen das Leben doch ist. Doch wie schnell kann auch die Schoenheit der Natur in den Hintergrund treten.
Ein Mann sitzt am Wegrand. Den Kopf hat er in die Haende gestuetzt. Seine Augen sind traurig und sein Blick ist gedankenverloren auf den vor ihn auf dem Weg liegenden Buffalo gerichtet. Der Buffalo ist tot. Seine Einnahmequelle versiegt. Seine Altersversicherung hinfaellig. Seine Zukunft ruiniert. Sein Haustier gestorben. Neben dem Reisbauer aus der Umgebung sitzen seine zwei kleinen Soehne am Boden. Sie nehmen still und leise Anteil am Leid ihres Vaters. Ohne dass sie sich deren Bedeutung bewusst sind. Denn mit dem ploetzlichen Tod des Buffalos - er scheint ueber die Reisterasse gestuerzt zu sein und sich dabei toedlich verletzt zu haben - ist nun auch die Absicherung ihrer Zukunft betroffen. Unser Guide Huong sucht troestende Worte fuer den vom Unglueck heimgesuchten Bauern und streicht ihm liebevoll ueber die Schultern. Es war sein einzigstes Tier. Es hat ihn Tausend Dollar gekostet und er hat dazu jahrelang gespart. Er war gross und stark. Tausend Dollar ist ein Vermoegen, das unvorstellbar ist. Mehr als ein Einkommen aus zwei Jahren. Er wird sich so rasch nicht mehr eine "Pflugunterstuetzung" leisten koennen und somit ist auch seine Reisernte unsicher.

Wir sind betroffen. Von ueberall her kommen nun Menschen heran. Eine Nachbarsfrau hat alle Bewohner aus der naeheren und weiteren Umgebung informiert. Sie laeuft hastig von Weiler zu Weiler und informiert so die Menschen ueber das Unglueck. Der Postbote. Das vietnamesiche Radio. Oder das Telefon. Die Dorfgemeinschaft hilft sich in solchen Situationen. Sie teilen wahrhaftig Freud und Leid. So werden die Maenner den toten Buffalo ins Dorf tragen und versuchen, dort das Tier einem lokalen Metzger zu einem bestmoeglichen Preis zu verkaufen. Es wird ein Bruchteil dessen sein, was das Tier urspruenglich gekostet hat. Es wird jenseits sein dessen, was es fuer den Bauern und seine Familie wert war.

Doch bereits hat ihm ein Sippenfreund zugesichert: Er wird ihm eines seiner "Jungtiere" fuer den Preis, den er aus dem Verkauf seines toten Tieres erwirtschaftet, verkaufen. Zwar einen viel kleinerer Buffalo - aber er hat so wenigstens wieder eine unenbehrliche Unterstuetzung auf dem Feld und eine Zukunftsperspektive fuer sich, seine Frau und seine zwei Buben.

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